Wir sind zwei von den 70.000. Zwei die obwohl im Navi nicht verzeichnet, den Weg gefunden haben. Zwei die durch Schafherden hindurch über Weiden gestapft sind. Zwei die ihr Wohnmobil über die Schotterstraße gejagt haben. Zwei von 70.000 Menschen die jedes Jahr an diesen abgeschiedenen Zipfel Neuseelands kommen, an dem die Natur wild und alles groß ist: Große Klippen, große Wellen, große Dünen und eine große Sandbank. Wir waren im Norden der Südinsel auf der Puponga Farm, besser bekannt als Cape Farewell.
So unberührte Natur wie hier findet man selten. Die Gegend um die Golden Bay ist ein wenig abgeschnitten vom Rest Neuseelands. Das liegt am Takaka Hill, ein Berg über den man mit dem Auto zuckeln muss. Die Überquerung ist nicht sonderlich weit, aber der Berg ist verdammt hart zu fahren und es dauert lange ihn zu überqueren. So ist die Gegend relativ abgeschieden geblieben.
In Puponga, der Siedlung ganz am Ende der Straße, stoppen wir am Parkplatz mit Café. Hier ist auch gleichzeitig der Infopoint. Für 50 Cent gibt es eine Übersichtskarte. Zufällig treffen wir den Besitzer des Wharariki Beach Campingplatzes im Café, ich glaube er heißt Dion. Er zeigt uns wo die Aussicht über die Klippen toll ist (Cape Farewell), wo der Robben-Kindergarten ist (die zweite Insel am Wharariki Beach) und wann man am besten über den Wharariki Beach wandert (zwei Stunden vor dem tiefsten Punkt der Ebbe bis zwei Stunden danach).
So geht die Wanderung auf die Klippen los an einem kleinen inoffiziellen Parkplatz. Der felsige Weg schlängelt sich durch die Büsche in Richtung Klippen. An einer Kurve etwas weiter vor uns biegt etwas Signalgelbes um die Ecke und ruft uns ein gut gelauntes „Wie geht Euch zweien?“ zu. Drei Frauen auf ihren Pferden, jede mit Warnweste bekleidet, kommen auf uns zu. Das Reiten hier sei traumhaft, erzählen sie. Und: „Ihr habt Euch eine tolle Wanderung ausgesucht, die Aussicht oben wird fantastsich sein!“ Das klingt doch mal toll, wir wandern weiter um nach oben zum Pillar Popint Lighthouse zu kommen.
Das letzte Stück zum Leuchtturm ist eine Qual. Wir fühlen uns, als müssten wir über die Felsen senkrecht den Berg hochkrabbeln. Aber man ist jung, man ist sportlich und irgendwann kommt man schon an, nicht wahr?!
Oben: Die erste Ernüchterung: der Leuchtturm ist eher ein kleiner Leucht-Pfahl. Wir laufen oben auf der Klippe den Cliff Walk noch fünf Minuten weiter, zu einem Mini-Felsplateau. Dann die Aussicht: wow, was für ein Panorama! Im Landesinneren die grünen Hügel sind der Wahnsinn. In Richtung Meer sehen wir den langen Farewell Spit auf der einen Seite und auf der anderen Seite bis hin zu den Felsklippen des Cape Farewells. So stehen wir einfach und schauen, schauen, schauen. Außerdem stellen wir die Vermutung an, dass die Pferde sehr gechillt gewesen und die Reiter stahlharte Nerven gehabt haben müssen, hier oben auf dem Schmalen Pfad an den Klippen.
Wir fahren weiter zum Cape Farewell. Um auf den Parkplatz zu kommen, müssen wir das Tor einer Schafweide öffnen, hindurch fahren und wieder schließen. Nach dem Parken gehen wir durch ein weiteres Gatter auf die nächste Weide. Über die Wiese erklimmen wir eine kleine Anhöhe. Die Schafe hier müssten doch Menschen gewöhnt sein, kommen ja 70.000 pro Jahr, denken wir. Aber nein, die sind richtige Angsthasen. Vor allem vor Kameraobjektiven hauen sie sofort ab.
Oben auf der Schafswiese befindet sich eine kleine Aussichtplattform. Das ist der offiziell nördlichste Punkt der Südinsel. Der Blick die Klippen hinunter ist mal wieder beeindruckend. Wir stehen viel höher, als wir dachten. Unten schlagen die Wellen gegen den Fels und einen Felsbogen. Auf einem Stein chillen zwei Seehunde, im Wasser davor schwimmt ein dritter seine Runden. Hinter uns blökt ein Schaf. Schön.
Der weitere Weg zum Wharariki Beach führt wieder über Schafweiden zu den Dünen. Über die letzte große Düne kommen wir an den Strand und müssen feststellen: Wieder ein spektakuläres Fleckchen Erde! Die Dünen aus marmoriertem Sand gehen langsam über in den Strand. Felsen und Inselchen liegen direkt vor uns mit ihren Höhlen. Sonnenuntergänge sollen hier der Hammer sein. Ein Spaziergang bei Ebbe ebenfalls. Wir kommen bei Flut und an einem wolkigen Tag, und sind schon beeindruckt. Trotz Regen ist es einfach schön hier.
Wir genießen noch eine ganze Weile die Natur am Wharariki Beach. Man spürt richtig den Wind, die Wellen und wie rau es hier sein kann. Aber irgendwann, als der Regen doller wird, verlieren wir langsam die Lust daran, der Natur so ausgesetzt zu sein. Wir kehren zurück zum Campervan. Bei der Überquerung des Takaka Hills fahren wir direkt in die Regenwolken hinein. Macht aber nichts, diesmal ist es das Auto, das der Natur ausgesetzt ist.
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